Wie ein schlafender Riese liegt der Stammerberg zwischen Stammheim und Stein am Rhein. Er bildet das grösste, von der Baudirektion ins Auge gefasste «Eignungsgebiet» (Nr. 3) für Windturbinen. Sage und schreibe acht Monsterturbinen mit 160 m Rotordurchmesser und 220 m Höhe sollen aufgestellt werden. Damit sollen 64 GWh/a Strom erzeugt werden. In Winterthur Neuhegi wird ein Rechenzentrum erstellt, das 500 GWh Strom/Jahr verpufft. Weitere sind geplant. Nur schon um den Bedarf dieses einen Rechenzentrums zu decken, wären acht Windpärke mit 64 Monsterturbinen nötig.
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Auch hier liegen alle Turbinenstandorte im naturnahen Laubwald. Das Siedlungsgebiet von Stammheim liegt nur 400 bis 500 m vom Eignungsgebiet entfernt. Die Bewohnerinnen und Bewohner wären von Lärm, Stroboskopeffekten und Wertverlust ihrer Immobilien betroffen. Doch auch in den umliegenden Dörfern Waltalingen, Guntalingen, Schlattingen, Etzwilen/TG, Kaltenbach/TG und Nussbaumen/TG würden die Monsterturbinen negativ oder schädlich in Erscheinung treten.
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Der gesamte Stammerberg bildet ein BLN*-Objekt (Nr. 1403 «Glaziallandschaft zwischen Thur und Rhein») und ist damit national geschützt. Sowohl Ober- und Unterstammheim wie auch die etwas weiter entfernten Dörfer Waltalingen, Guntalingen und Nussbaumen sowie das «Schloss Girsberg» sind ISOS-geschützte Siedlungen. In den genannten Dörfern besteht eine einzigartige Dichte an intakten Fachwerkbauten. Weniger als 3 Kilometer entfernt liegen das ISOS-geschützte Städtchen Stein am Rhein, das BLN-Objekt 1411 Untersee-Hochrhein sowie die idyllische Insel Werd (mit Ausgrabungen aus dem Neolithikum und der Bronzezeit), die zum UNESCO-Welterbe gehört. Das gesamte Eignungsgebiet Stammerberg ist vom Kanton ironischerweise als «Kulturerbelandschaft Stammerberg» (Nr. 6001) geschützt worden. Nun soll es der (geringen) Stromproduktion geopfert werden.
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* Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler
** Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung
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Fehlende Sachverhaltsermittlung verbietet Richtplaneintrag:
Der Stammerberg ist von grosser landschaftlicher Schönheit, reich an Naturwerten und kulturhistorisch bedeutenden Siedlungen. Ein Windpark würde die national bedeutende Landschaft und die zahlreichen ISOS-geschützten Ortsbilder massiv beeinträchtigen und das nationale Interesse an ihrer ungeschmälerte Erhaltung verletzen.
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Der Stammerberg ist aber auch Wasserlieferant für viele Menschen rund um den Stammerberg! Das naturbelassene Quellwasser vom Stammerberg ist essenziell für die Bevölkerung, die Landwirtschaft (Weinbau, Hopfenanbau und Gemüse-/Obst-/Getreidanbau) und das Gewerbe im Stammertal. Das Wasser deckt den Verbrauch der Gemeinde Stammheim fast zu 100%. Zusätzlich konsumieren auch noch weitere Gemeinden rund um den Stammerberg vom wunderbaren Stammer-Quellwasser. Durch den Bau riesiger Fundamente und schwerlastfähige Zufahrtstrassen besteht höchste Gefahr, dass die Grundwasserströme und die Wasserversorgung unterbrochen werden. Auch dies wurde nicht untersucht.
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Zum Brutvogelschutz führte die Baudirektion nur marginale Abklärungen durch, die den Anforderungen an eine Sachverhaltsermittlung auf Richtplanstufe keineswegs genügen. Immerhin stellt sie fest, das folgende national prioritäre Brutvogelarten betroffen sind: Feldlerche, Baumfalke, Habicht, Rotmilan, Schwarzmilan, Waldohreule, Wespenbussard, mehrere Winterschlafplätze des Rotmilan, davon einer mit über 100 Individuen.
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Konkrete Felderhebungen fehlen jedoch, insbesondere auch zu Zugvögeln. So ist unklar, welche (gefährdeten und anderen) Arten durch die drehenden Rotorklingen der Turbinen gefährdet würden. Aus den Reihen unseres Vereins bekamen wir folgende Hinweise für Brutvögel auf und in der Umgebung des Stammerbergs (national prioritäre Vogelart):
- Rotmilan
- Schwarzmilan
- Habicht
- Sperber
- Baumfalke
- Mäusebussard
- Mittelspecht
- Schwarzspecht
- Waldohreule
- Waldkauz
- Hohltaube
Zu den Fledermäusen fehlen jegliche Untersuchungen. Bekannt ist immerhin, dass im Gebiet Grosse Mausohren leben. Da es sich um ein altes Waldgebiet mit vielen Höhlenbäumen handelt, muss davon ausgegangen werden, dass es eine reiche Fledermausfauna beherbergt.
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Ein Windpark in diesem Gebiet wäre ein krasser Ersteingriff in die zahlreichen Schutzwerte von nationalem und internationalem Rang. Durch die Lage in einem BLN-Gebiet und die Nähe zu ISOS-geschützten Dörfern wäre ein Gutachten der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission nötig gewesen. Wegen vielfach ungenügender Sachverhaltsklärung kann die nötige Interessenabwägung (Art. 8 Abs. 2 Raumplanungsgesetz und Art. 10 Abs. 1ter Energiegesetz) nicht bundesrechtskonform durchgeführt werden. Abgesehen davon lassen schon die bekannten Landschafts-, Ortsbild- und Naturwerte von nationaler Bedeutung nur einen Schluss zu: Der Stammerberg darf nicht als Windparkeignungsgebiet in den Zürcher Richtplan eingetragen werden.